Unterm Strich

Peer Steinbrück gehört zu der in Deutschland rar gesäten Gruppe von Spitzenpolitikern, denen man beim Reden gerne zuhört. Das will schon was heißen. Allerdings leidet er an einer Krankheit, die in der Politik wiederum weit verbreitet ist:

„Steinbrück ist der klassische Fall eines unbewussten Hochstaplers, dessen Selbstbild – befördert durch sein unkritisches Publikum – im krassen Gegensatz zu seinen tatsächlichen Fähigkeiten steht.“

Und so verkommt es dann doch zur Farce, wenn der Ex-Finanzminister der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde nun behauptet, von einer Finanzkrise nichts habe ahnen zu können.

Und noch so nebenbei:

„(…) als Folge der von Steinbrück betriebenen Gesetzgebung hantiert bis heute eine ungewählte Schattenregierung namens Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung mit einem 500-Milliarden-Euro-Topf, ohne den Bundestag auch nur konsultieren zu müssen. Selbst diese von ihm selbst zu verantwortende offene Wunde der Demokratie ist Steinbrück keine Erwähnung wert.“

Harald Schumann im Tagesspiegel.

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Nicht viel anders fällt das Urteil von Hermann Scheer im Freitag aus:

„Wie sehr stattdessen auch die rot-grüne Finanzpolitik die Lunte der Finanzkrise mitgelegt hat – stets von Steinbrück unterstützt und dann als Finanzminister aktiv betrieben, belegt die Serie ­entsprechender Gesetze: 2002 das Finanzmarktförderungsgesetz, das die Spielräume von Investmentfonds und Hypothekenbanken erweiterte; 2003 wurden verbriefte Kreditforderungen ausgeweitet, wurde den Hedge-Fonds die Türen geöffnet; 2004 die Steuererleichterungen für Private Equity-Firmen; 2006 die Steuerbefreiung der Gewinne, die Unternehmen eines Konzerns untereinander erwirtschaften; 2007 folgte das Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften und die Reduzierung der Körperschaftssteuer von 25 auf 15 Prozent, die Durchlichtung der Regelungsdichte für Investmentfonds und deren Öffnung für neue so genannte Finanzmarktprodukte. So entstand der Sumpf, in dem die Hypo Real Estate erblühen und uns vor einen „Abgrund“ (Steinbrück) führen konnte.“

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Und dies nochmal so ganz nebenbei:

Der weltweite Derivatemarkt (etwa 615 Billionen Dollar Ende 2009) ist etwa zehnmal so groß (!!!) wie die gesamte Wirtschaftsleitung der Welt. In den USA teilen sich fünf Großbanken (die üblichen, JP Morgan und Co.) 97% des gesamten Derivategeschäfts, weltweit mit ein paar weiteren zusammen (u.a. Deutsche Bank) etwa 80% des Marktes.

Ein Artikel zu Versuchen der EU-Kommission, diesen Markt unter Kontrolle zu bekommen, der dabei zumindest andeutungsweise die Komplexität des politischen Geschehens beschreibt, hier aus der Zeit.


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