Paradoxa des Kapitalismus 2

Niko Paech: Das Elend der Konsumwirtschaft. Von Rio+20 zur Postwachstumsgesellschaft

Das Festhalten am Wachstums- und Fortschrittsparadigma kann weder die multiplen Gegenwartskrisen lösen noch garantiert es gesellschaftlichen Wohlstand für alle. Obendrein verwehrt uns das dauernde Streben nach Wachstum die freie Verfügung über unsere Zeit und damit eine notwendige Voraussetzung für ein glückliches Leben. Die entscheidende Frage lautet daher, wie wir dem Zwang zum Wachstum entkommen und in eine Phase der Postwachstumsökonomie eintreten können. (…)

Vielmehr müsste die „Wegwerfgesellschaft“ durch eine Reduktion des Überflusses umgewandelt werden. Da weniger Neuanschaffungen erforderlich wären, würde zudem weniger Einkommen, also auch weniger Arbeitszeit benötigt. Mit der gewonnenen Zeit ließen sich in Eigenarbeit Leistungen erbringen, die vormals bezahlt werden mussten, was zu weiteren finanziellen Entlastungen führen würde.

Damit schließt sich der Kreis zur Subsistenz, die damit nicht nur zu mehr Autonomie verhilft, sondern auch den Bedarf an monetärer Versorgung verringert. Obendrein kann sie in produktiven, insbesondere handwerklichen Leistungen bestehen, durch die Industrieprodukte im obigen Sinne selbsttätig instandgehalten werden. Das Argument, dass eine Halbierung der Erwerbsarbeit und folglich der Produktion auch den materiellen Wohlstand reduzieren würde, ist daher nicht haltbar. Vielmehr treten an die Stelle materieller Ressourcen, die bislang zur Neuproduktion eingesetzt wurden, drei andere, dekommodifizierte Ressourcen: erstens eigene handwerkliche Fähigkeiten zur Eigenproduktion und Verlängerung der Nutzungsdauer; zweitens Zeit, die für die Ausübung der neuerlernten Fähigkeiten notwendig ist; und drittens soziale Beziehungen zwecks Gemeinschaftsnutzung und geldlosem Leistungsaustausch.

Der Übergang zur Postwachstumsökonomie erfolgt somit durch den schrittweisen Rückbau industriell-arbeitsteiliger Versorgungssysteme und Infrastrukturen. Dieser Wandel könnte durch diverse institutionelle Innovationen unterstützt werden: Boden-, Geld- und Finanzmarktreformen würden systemimmanente Wachstumszwänge mildern, veränderte Unternehmensformen könnten die Gewinndynamik dämpfen und schließlich müsste auch der Subventionsdschungel durchforstet werden, um gleichermaßen ökologische Schäden und die öffentliche Verschuldung zu reduzieren.

Zudem wären ein Bodenversiegelungsmoratorium und Rückbauprogramme für überholte Infrastrukturen erforderlich. Insbesondere Flughäfen, Autobahnen, Industrieparkanlagen und Parkplätze etc. müssten teilweise geschlossen und renaturiert werden. Alternativ können die Flächen für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien genutzt werden.


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