Lecker Fisch

Im kollektiven Selbstzerstörungswahn der Megamaschine ist die Konsequenz aus leergefischten Meeren nicht ein „Weniger“, sondern ein „Weiterso“, indem Fisch nun auch industriell hergestellt wird. Dumm nur, dass Dorade oder Lachs selbst Fischfresser sind und deshalb zuvor nicht genutzte Fische aus den Meeren geholt werden – vorzugsweise aus dem globalen Süden –, die dann zu Fischmehl verarbeitet an die Zuchtfische verfüttert werden. Und dumm nur, dass das Fischmehl mit Ethoxyquin behandelt wird, damit es sich nicht entzündet. Zu sehen ist dieser Horror in der ZDF-Doku Lust auf Lachs – Der globale Wahnsinn, der WDR-Doku Dorade aus dem Käfig oder der NDR-Doku Die Lachs-Industrie (welche zwar völlig unterbelichtet und typisch für zahlreiche „kritische Beiträge“ der öffentlich-rechtlichen Sender ist, da sie letztlich affirmativ „Weiterso“ sagt, aber dennoch mit genug schockierenden Bildern aufwartet für jeden, der noch einen Rest von Respekt vor dem Leben in sich trägt).

Ja und auch doof ist, dass der noch frei in den Meeren schwimmende „Wildfisch“ plastikverseucht ist. (Was den Irrsinn des Mikroplastiks in Kosmetikprodukten angeht, gibt es hier einen Einkaufsratgeber des BUND.)

Überfischung der eigenen Meere und Aquakulturen hindern die Europäer außerdem nicht daran, knapp ein Viertel des weltweiten Fischfangs (!) zu importieren. Eine Studie der Universität Kiel im Auftrag der Umweltorganisation WWF kommt zu dem Schluss, dass der Fischkonsum in Deutschland und anderen Industrienationen ohne besseres Fischereimanagement die Lebensgrundlage von 800 Millionen Menschen gefährdet:

Im Jahr 2050 könnten sich Millionen Menschen im globalen Süden ihr Grundnahrungsmittel Fisch nicht mehr leisten, weil sie ihn exportieren müssten (…). Fischkonsum werde zur „Gerechtigkeitsfrage“. „Wir Konsumenten sind verantwortlich, wenn wir den Fisch essen, der den Menschen im globalen Süden als Grundnahrungsmittel fehlt: Die einen brauchen den Fisch zum Überleben, die anderen können ihn sich leisten“, sagte Co-Autorin Karoline Schacht der Nachrichtenagentur AFP. „Wir fischen dem globalen Süden die Proteine weg, die wir gar nicht benötigen.“

taz: Fischkonsum als Gerechtigkeitsfrage, 11.1.2017

 

 


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